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Der Waggon als Mahnmal für Zwangsarbeit im Landkreis Verden vom Jahr 2003 bis zum 26. Januar 2007

Ankunft in Verden

Nach dem Erhalt des Waggons in Leipzig stellte dessen neuer Eigentümer, der Förderverein Regionalgeschichte des Landkreises Verden 1933–1945 e. V., mit seinem Vorsitzenden Dr. Joachim Woock an der Spitze, beim Landkreis den Antrag, ihn als Mahnmal nach Verden zu verlegen. Der Landkreis und die Lehrerschaft der BBS stimmten dem Antrag zu. Der Waggon sollte begehbar, also physisch erfahrbar gemacht werden, um die Enge in solchen Waggons, in denen zur NS-Zeit mehrere Dutzend Menschen zusammengepfercht wurden, zu erspüren. Dies wurde durch eine Ausstellung namens „Rekrutierung und Deportation“ auch bewusst geplant.

Einweihung und Renovierung

In der Woche vom 8. bis 16.11.2003 wurde das Schulprojekt „Wir waren in eurem Alter – Begegnungen zwischen ehemaligen Zwangsarbeitern und Schülern“ durchgeführt. Dazu fand am 9.11.2003 die Einweihung mit Gästen aus Polen, der Ukraine und Belgien statt. Als Schirmherr konnte der damalige Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse gewonnen werden. In der Folge wurde das Mahnmal ein Jahr lang von Schülern und Lehrern unter der Leitung von Dr. Joachim Woock, Vorsitzender des Vereins für Regionalgeschichte im Landkreis Verden, renoviert.

Am 12.9.2004, „Tag des offenen Denkmals“, wurde das Mahnmal von der Holocaust-Überlebenden Eva Spielberger an die Öffentlichkeit übergeben. Eva Spielberger (*9.2.1925, geb. Nádas) wurde mit ihrer Familie aus Ungarn verschleppt und mit ihrer Schwester Gizella zunächst nach Bremen und danach ins KZ-Außenlager in Achim-Uphusen deportiert, wo sie von 1944 bis 1945 als Zwangsarbeiterin interniert war.

Erinnerungen von Zeitzeugen

Eva Spielberger erzählt von ihren Erinnerungen

„Am 19. März 1944 wurde Ungarn von den Deutschen besetzt. Anfang Mai waren wir an der Reihe deportiert zu werden. In geschlossenen Güterwagen, bis zum Äußersten ge- packt, mit Alten, Kranken, Müttern und Kindern, mit knappen Habseligkeiten. Ohne Essen und Toilette. Für einen solchen Zweck standen ein paar Eimer zur Verfügung, mitten unter uns. Die Bewegungen beim Fahren des Zuges verursachten, dass der Inhalt auf den Boden des Wagens ausfloss.

So begann für einen Großteil von uns die letzte Fahrt. Meine kleine Schwester Klara, 11 Jahre, und meine Mutter, 41 Jahre, kamen mit demselben Transport nach Auschwitz und wurden direkt nach der Ankunft für die Gaskammern abgesondert. Mein Vater wurde bereits im Ghetto von uns getrennt und mit den übrigen Arbeitsfähigen zur Zwangsarbeit abtransportiert. […] Als die Ostfront zusammenbrach, wurde er in ein Lager in der Nähe von Linz in Österreich deportiert. Er wurde von den Amerikanern befreit, starb aber im Lager an Flecktyphus.“

 

Rekrutierung und Deportation

Petr Lavrenjuk aus Vorobijivka in der Ukraine berichtet ebenfalls von seinen Erinnerungen: „Am 7. April 1942 wurden wir, 50 Menschen aus dem Dorf Vorobijivka, auf dem Platz des Dorfes zusammengetrieben. Es waren fünf Polizisten mit Waffen. Alle 50 Menschen wurden auf die Fuhrwerke verladen und wir fuhren nach Polonne. Viele Menschen sahen uns an und weinten bittere Tränen. Meine Mutter und meine drei Schwestern begleiteten uns und weinten sehr. Wir wurden in Güterwagen verfrachtet. Die Fenster waren mit Stacheldraht bedeckt und die Wagen wurden mit Draht verschlossen.

Vor der Stadt Kowel hielten wir auf freiem Feld. Wir wurden aus den Wagen herausgelassen, um unsere Notdurft verrichten zu können. Ich und Vasilij Matvejcuk hatten uns entschieden, wegzulaufen. Aber das ist uns nicht gelungen. [...] Wir wurden mit einem Schlauch geschlagen (…) und zum Zug zurückgetrieben.“

Quellen:

Alle Fotos stammen von der Homepage www.regionalgeschichte-verden.de

Hermann Deuter/Joachim Woock (Hg.): „Es war hier, nicht anderswo!“, Der Landkreis Verden im Nationalsozialismus, Edition Temmen Verlag, Bremen 2016.