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Die Katastrophe des Brandanschlags – und jetzt?

Die zehnjährige Suche nach einer Zukunft für diesen Waggon

Es mussten mehr als zehn Jahre nach dem Schock des Brandanschlags vergehen, bevor etwas Neues mit diesem Waggon möglich wurde. Warum dauerte es so lange? Es gab eine bundesweite Entrüstung, viele solidarisierten sich mit diesem besonderen Projekt der Dokumentation von Geschichte. Aber für einen Wiederaufbau fehlte der Impuls. Der Waggon fiel zwischen den Jahren 2007 bis 2017 in einen „Dornröschenschlaf“.

Erinnerungskultur im Landkreis Verden war im Jahr 2007 und danach sehr umstritten. Welche Rolle sollte der Ruine des Waggons nach dem Brandanschlag in Verden zukünftig zukommen? Das zerstörte Mahnmal sollte dauerhaft vor Augen führen, was geschieht, wenn Kräfte aktiv werden, die eine intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit boykottieren.

Für die Arbeit der Erinnerungskultur wurde ein zweiter Waggon angeschafft. Als Standort hatte man den Verdener Bahnhof vorgesehen, um an die Eisenbahn als Wirtschaftsfaktor im Dritten Reich zu erinnern. Diese Idee traf jedoch auf großen Widerspruch. Als Folge der politischen    Auseinandersetzung    entschlossen    sich    die        Mitglieder des Vereins für Regionalgeschichte Verden am 19.1.2012, den Verein aufzulösen und dem Landkreis Verden das Eigentum an der Gedenkstätte zu übertragen. Die Landkreisverwaltung lehnte, wie bereits 2009, die Übernahme ab. Erst am 11.12.2015 fiel die endgültige politische Entscheidung in einer Kreistagssitzung, den Waggon als Sachspende anzunehmen.

In dem Moment, da die Verschrottung des Mahnmals der Zwangsarbeit drohte, trat die Sankt Jakobi-Kirchengemeinde Wittlohe auf den Plan. Deren Kirchenvorstand fasste folgenden Beschluss: Im Rahmen der Arbeit der Erinnerungskultur mit den Konfirmanden die Waggonruine a) nach Wittlohe verbringen und sie

b) dort nach und nach mit den Konfirmanden in Praktika unter Anleitung von fachlich kompetenten Handwerkern sanieren.

Widerstand in der Bevölkerung

Am 18.2.2014 kam es in der vollbesetzten Wittloher Kirche zu einer Bürgerversammlung, um über das Projekt der Waggonumsetzung zu informieren. Die große Mehrheit der am 18.2.2014 versammelten Bürger äußerte sich in aufgeheizter Debatte deutlich gegen das Projekt, den Waggon nach Wittlohe zu überführen. Der Aspekt, dass der Waggon nicht mehr ausschließlich als Mahnmal der Geschichte zur Zwangsarbeit gelten soll, ging in der Diskussion völlig unter. Der Kirchenvorstand gab dem Druck nach und verzichtete auf die Realisierung dieser Idee.

Beschluss des Kreistags

Im gleichen Jahr, am 18.7.2014, fasste der Kreistag des Landkreises Verden folgenden, von allen Parteien getragenen Beschluss: Der Landkreis beteiligt sich federführend an einem Netzwerk Erinnerungskultur. Die Aufgabe dieser Initiative ist die Aufarbeitung der Regionalgeschichte des gesamten

20. Jahrhunderts. Dabei geht es um folgende Ziele:

• Identifizierung von Gedenkthemen und Gedenkanlässen;

• Kenntlichmachung von Gedenkorten (Orten des Erinnerns);

• Schaffung von Sammlungs- und Aufarbeitungsstätten sowie

• die pädagogische Nutzung der Arbeitsergebnisse für unsere Schulen, den Konfirmandenunterricht, für die Jugendarbeit und die Erwachsenenbildung.(1)

Der Landkreis war bereit, sich maßgeblich an dieser Initiative der Erinnerungskultur zu beteiligen, mit dem Blick auf das gesamte 20. Jahrhundert. Der Waggon war von Anfang an Bestandteil dieser Erinnerungskultur. So wurde im Februar 2015 in der Auftaktveranstaltung des Netzwerkes auch eine Reflexionsgruppe Reichsbahnwaggon ins Leben gerufen, die zum ersten Mal am 21.04.2015 in der Superintendentur in Verden tagte.

Reflexionsgruppe Waggon

Nach dreijähriger Denkarbeit in unterschiedliche Richtungen wurden drei fundamentale Punkte erreicht:

I. Erarbeitung eines baulichen Konzepts für eine Teilsanierung des „Verdener Waggon“ – Teilsanierung deshalb, um so den Brandanschlag von 2007 im wiederhergestellten Waggon nachhaltig zu dokumentieren

II. Ein pädagogisches Konzept

III. Gründung eines Vereins